Montag, 3. Juni 2013

4. Bonner Nachtlauf

Eigentlich sollte man glauben, dass ich beim dritten 10-Kilometer-Lauf dieses Jahr wesentlich ruhiger und gelassener bin als bei den ersten beiden. Ist aber nicht so. Im Gegenteil, ich bin etwas nervös. Vor allem habe ich eben festgestellt, dass das Zeitlimit auf 1:30 gesetzt ist, also genau auf meine Marke – wie gemein.
Ich habe einigermaßen ausgeschlafen, bis Ben, mein taubes Katzenmonster, meinte, dass ich jetzt die richtige Unterlage für ein weiteres Schläfchen wäre. Laut wie ein Traktor schnurrend und immer wieder vor Wohlgefallend in meine Schulter krallend machte er es sich auf meinem Bauch bequem. Bis ich so nicht mehr liegen konnte und aufgestanden bin.
Frühstück für Ben und mich. Ein paar zusätzliche Mineralien und Vitaminchen für den dicken Kater, ein, paar zusätzliche Mineralien und Vitaminchen für den dicken Bronto. Vollkorntoast mit Erdnussbutter und Pflaumenmuß, Vollkorntoast mit veganer Margarine und veganem Aufschnitt oder Aufstrich, Vollkorntoast mit Wllhelmsburger. Die Depots sind voll, später nur noch Salat. Kaffee mir Rohrzucker und Sojamilch und den ersten halben Liter Wasser.
Ich renne nervös durch die Bude, habe um 10:30  (X ninus 10:45) schon alles bereit liegen und gecheckt. Gut, für einen Nachlauf ist es etwas mehr.
  • ·         Stirnlampe?                      Check!
  • ·         Reflektorbändchen?         Check!
  • ·         Neonkappe?                   Check!
  • ·         Neon Buff?                     Check!
  • ·         Startnummernband?        Check!
  • ·         Chip?                             Check!
  • ·         Vegan-Runners-Shirt?    Check!
  • ·         Laufshirt?                       Check!
  • ·         Laufhose?                      Check!
  • ·         Pullover?                       Check!
  • ·         Trainingshose?               Check!
  • ·         Rucksack?                    Check!
  • ·         Laufschuhe mit Neon-Senkeln?              Check!

Da muss aber heute Abend noch irgendwer Aufnahmen von mir machen. 1XXkg Bronto im Nightrun-Outfit sieht man nicht alle Tage.

X minus 10 Jetzt sitze ich da und lenke mich mit schreiben etwas ab. Draußen regnet es unablässig, es ist, für Ende Mai, saukalt und ich muss täglich mit meinem inneren Säbelzahnmamut kämpfen. Da wo andere Menschen einen süßen kleinen inneren Schweinehund haben, haben wir, ausgewachsene running Brontos einen ausgewachsenen Säbelzahnmamut. Und dieses damned f** Wetter dieses Jahr hat den blody f** Säbelzahnmamut zu stattlicher Größe und Gewicht heranwachsen lassen. Ich manchmal glaube, seine Konturen zeichnen sich schon etwas an meiner Vorderfront ab.
X minus 9:45 Julia kommt aus Jens‘ Zimmer, etwas verschlafen. Noch einen Kaffe auf den Weg zur Uni, ein kleines Klääfchen über das Wetter, Fotografie und die Welt. Ben liegt auf der Fußmatte und signalisiert, dass er nur noch durch intensive Katzen-Wiederbelebung (Extrem-Bauch-Krauling) gerettet werden kann.

X minus 8:45 Katze gerettet, Kaffee alle, Betten gemacht. Es regnet immer noch.
X minus 7:45 Das Qi fließt wieder dank einer ordentlichen Runde Qi-Gong. (Dabei habe ich gemerkt, dass ich ziemlich aus der Übung gekommen bin. Notiz an mich selbst, ab morgen wieder öfter Qi-Gong, am besten täglich.) Der Bronto ist sauber geduscht, rasiert und gesalbt. Ich will ja nicht dem Gerücht Vorschub leisten, dass alle Brontos etwas riechen. Darum sind auch meine Wettkampfklamotten selbstverständlich frisch gewaschen. (Könnten einige kleine humanoide Läufer sich ruhig ein Beispiel dran nehmen.) Es regnet Bindfäden. Mein innerer Säbelzahnmamut ist der Überzeugung, dies wäre der Punkt, den Lauf einfach abzuhaken und ins Bett zu kriechen.
X minus 4 Zur Strafe und als Beweis, dass ich darüber ganz anders denke habe ich mich aufs Rad geschwungen und bin einkaufen gefahren. DVDs besorgt für den verregneten Ruhetag morgen… Kaum wieder zuhause eröffnete mir meine liebe Frau, dass wir noch Katenstreu für die taube Monsterkatze und ein paar Getränke … brauchen. Also wieder rein in die feuchten Klamotten, Rentnerfiffi aus dem Keller und wieder ab in den Supermarkt.
X minus 3,5 Schönen heißen Malzkaffee mit Sojamilch, ein Glas Isodrink und im Freizeitanzug aufs Sofa. Der Säbelzahnmamut lacht sich schlapp. „Bleib doch liegen. Andrea kommt nicht mit, weil sie Kopfweh hat, Jens ist in Aachen und es regnet immer noch.“ – „Schnauze!“
X minus 0,5 Auf dem Weg zum Start kommen mir die ersten Läufer entgegen, die sich nur warm machen. Das Säbelzahnmamut lacht sich schlapp. „Dafür stapfst Du durch den Regen, da kommst Du doch eh nicht mit. Dreh um, noch ist Zeit!“ – „Schnauzeeee!!!!“
Kurz vor X Da ist ja mein Freund PeWo. Und die Prinzessin. Wenigstens nicht ganz allein (beim Start).
X plus 800m Das Feld ist vorbeigezogen. Ich finde heute nicht meinen Schritt. Die Lunge zischt und pfeift wie eine alte Dampflokomotive. Jetzt drückt mich plötzlich auch noch die Blase (hätte sich ja auch mal vorher melden können!) Ich schere aus und schlage mich in die Büsche. Pfff tut das gut. Die Luft kehrt auch zurück. Das Säbelzahnmamut meldet sich wieder: „Jetzt, wo Du Dich verpisst hatst, kannst Du Dich auch gleich ganz verpissen!“ – „Schnauze, sonst werde ich doch noch zum Fleischfresser!“
X plus 1,5km Es geht doch. Und ich bin doch nicht ganz am Schluss. Hinter mir läuft eine Sportlerin, die ungefähr meine Geschwindigkeit hat. Kurz vor mir zwei Sportlerinnen, die offensichtlich nur mitlaufen um mich zu ärgern. Die beiden walken locker vor sich hin und trotzdem komme ich keinen Schritt näher.
X plus 3km Alles unverändert. Ich habe mich damit abgefunden hier hinten zu laufen. Die Sportlerin hinter mir hat zwischenzeitlich einmal angegriffen und überholt. Musste aber dann eine Gehpause einlegen und ist jetzt wieder hinter mir. Die walking bitches immer noch im gleichen Abstand vor mir. Das ansonsten verdächtig ruhig gewordene Säbelzahnmamut bekommt plötzlich einen Lachkrampf. Da kommen doch tatsächlich die ersten Sportsfreunde (ich hasse sie!!!) auf der Gegengerade entgegen.
X plus 5km Das Säbelzahnmamut grummelt nur noch leise und beleidigt vor sich hin. „Auf mich hört ja hier sowieso keiner. Wirst schon sehen was Du davon hast. …“ Die Schritte der Sportlerin hinter mir, bleiben immer mehr zurück, gemeiner Weise entfernen sich auch die walkin bitches in einer Steigung nach vorne. Ansonsten habe ich meinen Takt gefunden. Tum, Tum, Tum machen die zarten Brontofüßchen auf dem Asphalt.
X plus 6km Ich muss eine halbe Minute gehen. Ich habe zwar noch Luft, aber die Brontobeinchen fühlen sich an wie Rührtofu. Meine Gedanken schweifen ab. Physik! Mir gehen die Definitionen von Arbeit und Leistung durch den Kopf. Lässt sich das übertragen? Arbeit ist Kraft mal Weg. In Relation zu den Spitzenläufern habe ich also die wahrscheinlich doppelte Arbeit gemacht. Physikalisch bestimmt. Weiter gedacht: Wenn ich durchs Ziel gehe, habe ich in meiner Zeit die gleiche Leistung (Arbeit durch Zeit) vollbracht, wie sie die Spitzenläufer nach 20km vollbracht hätten?  Boa hey bin ich schnell!! Und übers Denken bin ich auch wieder in Trab gefallen.
X plus 6,4km Wasser! Ein junges Mädchen ist ganz begeister. „Sind sie Veganer – Toll! Ich bin Vegetarierin.“ Mit zwei Bechern Wasser und Guten Wünschen, auch von den Eltern des Mädchens geht es weiter.
X plus 7km Ein ziemlich dunkler Abschnitt. Die Dame am Streckenposten warnt mich vor Pfützen. So ein Quatsch, an meinen zarten Brontofüßchen (Größe 13) sitzen doch Laufschuhe und keine Ballettschuhchen. Die dürfen dreckig werden. Tum, Tum, Platsch, Tum machen die zarten Brontofüßchen.
X plus 7,8km Der Streckenposten feuert mich an: „Am Rhein sind es noch 2km“ Immer häufiger muss ich zwei drei Schritte gehen –wegen dem Rührtofu in den Brontobeinchen. Hinter mir ist nichts mehr zu hören und zu sehen – vor mir auch nicht.
X plus 9,5 Die ersten Streckenposten überholen mich von hinten. Mit dem Fahrrad wohlgemerkt. Sie feuern mich noch kurz an. PeWo und die Prinzessin kommen mir auf dem Weg nachhause entgegen. (Der war auch nur 15 Minuten schneller als ich. Dabei ist der jünger und leichter.)
X plus 01:33:47 Piep, Piep stampft über die Matte, vollkommen unbemerkt vom Rest der Meute. Es gibt noch leckeres alkoholfreies Weizen vom Hauptsponsor. Dafür ist meine Beutel mit dem Pullover verschwunden. Findet sich aber im Müll wieder. Ich hatte – als Kennzeichen den zerknüllten Einmal-Regen-Poncho drauf gepackt und eine übereifrige Seele hat es als Müll identifiziert.

Okay – ich gebe es zu, entsprechend der erbrachten Leistung bin ich absolut erster. Da die Sportlerin hinter mir offensichtlich abgebrochen hat, war ich von der Zeitmessung her letzter. Es ist eben alles relativ.

5 Kommentare:

  1. Bernd , meinen Glückwunsch zu deinem Blog und vor allem zu deinem Laufbericht. Ich denke es gibt nicht viel zu sagen , ausser

    WEITER SO !

    Lieben Gruß aus Bergisch Gladbach Dirk

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  2. Hallo mein Freund alles sachlich Richtig:--) (die lange Nase ist für das jünger) in der Liga M50 wird dann doch zum Witz . Nein ich bin stolz auf Dich das dad durch gezogen hast. Prima ich bin übrigens 93. von 98 Eshat Spass gemacht und das war mir wichtig. Bei den ganzen Super LäuferInnen die mit 37min durch Ziel sprinten Nene die jungen Leute immer hanse et Iilig. Ich wunsch uns noch den ein oder anderen Run zusammen mach et Jot Pewo

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  3. Machen wir. Mein nächster Lauf ist der Color Run in Köln am 21.07.

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  4. Super Bernd :D ich musste echt lachen beim Lesen des Laufberichts, kommen mir diese Gedanken doch teilweise verdächtig bekannt vor!! Weiter so!! Und nen dicken Knutscher an den süssen Ben <3

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